Diskriminierung von People of color (P.O.C.) an Clubtüren treibt viele und aus unterschiedlichen Perspektiven um. Menschen, die aus rassistischen Gründen an Clubtüren abgewiesen werden oder sich aus rassistischen Gründen abgewiesen fühlen. Türsteher, die regelmäßig als »Rassisten« bezeichnet werden. Mitarbeiter von Antidiskriminierungsbüros und Ausländerbeiräten. Journalistinnen. Juristen. Forscherinnen. Und nun auch Parlamente zweier Bundesländer.
Gastbeitrag von Christine Preiser
In Bremen (FR 27.11.2015) und in Niedersachsen (SZ 14.12.2015) wurden vor wenigen Wochen die betreffenden Gaststättengesetze ergänzt. Bisher konnten Privatpersonen vor dem Hintergrund des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes von 2006 Diskriminierung durch Türsteher anfechten, was in den vergangenen Jahren stattfand, mal erfolgreich, mal erfolglos (OLG Stuttgart–Urteil vom 12.12.2011, SZ 24.07.2015). Durch die Gesetzesänderung können nun Behörden rechtlich gegen die Entscheidungen vorgehen und Bußgelder bis zu 10.000€ verhängen. Eine kurze Rechnung: Ein hypothetischer Club mit 500 Gästen und 8€ Eintrittspreis nimmt durch den Eintritt an einem Abend 4.000 € ein, von denen dann noch keine laufenden Kosten bezahlt sind. 10.000 € können also empfindlich treffen. Ob eine Gesetzesänderung Diskriminierung an der Tür ändert, wage ich zu bezweifeln und es bleibt abzuwarten, wie häufig sich Behörden einschalten werden. Zynisch betrachtet könnte man das Gesetz auch als ein medienwirksames »aktiv-werden« gegen Diskriminierung lesen, das für die entscheidenden Instanzen selbst mit geringen eigenen Kosten verbunden ist.
»Stetig wiederkehrend wird mir die Frage nach Rassismus, Diskriminierung und Exklusion an der Tür gestellt. Viel mehr als ein lahmes »So einfach ist das nicht…« fällt mir nach wie vor schwer.«
Und wie sieht es vor Ort aus? Stetig wiederkehrend wird mir die Frage nach Rassismus, Diskriminierung und Exklusion an der Tür gestellt. Viel mehr als ein lahmes »So einfach ist das nicht…« fällt mir nach wie vor schwer. Ich will und kann zu den Erfahrungen, die P.O.C. an Clubtüren machen, nichts sagen, da ich für meine eigene Forschung einen anderen Schwerpunkt gesetzt habe, auch indem ich neben Türstehern stand und nicht P.O.C. durch das Nachtleben begleitet habe. Aber ich kann versichern, dass auch nach 60 Nächten teilnehmender Beobachtung von/mit/neben Türstehern, von außen schwer erkennbar bleibt, warum sich ein Türsteher situativ so benimmt wie er sich benimmt. Wird eine Personengruppe abgewiesen, weil es sich um P.O.C. handelt, weil der Türsteher einen miesen Tag hat oder weil ihr Auftreten ihm nach potenziellem Ärger aussah (weil zu betrunken, weil zu aggressiv, weil zu viele Männer, weil…)? Wird ein Gast genauer als andere durchsucht, weil er auf Grund seines Aussehens unter Generalverdacht steht oder weil es eine Vorgeschichte mit der Person gibt? Das weiß manchmal nicht einmal die betreffende Person selbst. Alltagsrassismus ist fein nuanciert und mit einer teilnehmenden Beobachtung wie der meinen schwer erfassbar.
Ich habe keine Strichlisten gemacht, welche Leute in Clubs kamen und welche abgewiesen wurden. Eindeutiger wird es dort, wo er thematisiert wurde: Im Arbeitsalltag von Türstehern ist Alltagsrassismus immer wieder gegenwärtig, als Vorwurf, als potenzielle Handlung, in der Selbstreflexion von Türstehern. Und in der Art, wie die vermutete ethnische Zugehörigkeit des Türstehers relevant gemacht wird. Etwa indem (potenzielle) Gäste versuchen, die antizipierte gemeinsame ethnische Zugehörigkeit des Türstehers für sich positiv zu nutzen. Oder wenn Gäste, Türsteher oder Protokollanten eines Testings (Antidiskriminierungsbüro Sachsen e.V. 2011) den »Migrationshintergrund« der Türsteher hervorheben, als könnte ein Türsteher mit »Migrationshintergrund« nicht (alltags)rassistisch handeln oder als sei es besonders schlimm, wenn ein Türsteher mit »Migrationshintergrund« (alltags)rassistisch handelt.
»Nachtleben in der aktuellen Form ist per se exklusiv. Viele können sich die (Eintritts-)Preise und die Uhrzeit nicht leisten…«
Zwar ist der Türsteher eine besonders symbolträchtige, quasi sagenumworbene Figur im Nachtleben und es ist wenig verwunderlich, dass sich die Debatte um Diskriminierung im Nachtleben an ihm entzündet. Es bietet sich aber in der Diskussion an, den größeren Kontext mit in den Blick zu nehmen. Nachtleben in der aktuellen Form ist per se exklusiv. Viele können sich die (Eintritts-)Preise und die Uhrzeit nicht leisten. Oder machen lieber etwas anderes, weil Nachtleben alkohol- und drogenlastig ist und sie sich darin nicht wiederfinden können. Oder weil ihr Geschmack nicht repräsentiert wird. Oder Veranstaltungen/Clubs legen Wert darauf, nicht für jeden erkennbar zu sein und nur von denjenigen gefunden zu werden, die schon einmal da waren. Neben der Frage »Wer kommt nicht rein?« lohnt sich also auch die Frage »Wer ist überhaupt gar nicht erst da?«
Zum Abschluss eine positive Randnotiz: Es gibt übrigens auch Formen gezielter Inklusion durch Clubs und ihre Türsteher. Etwa wenn Türsteher einen ihnen bekannten Obdachlosen begrüßen und durch den Eingang winken, damit er sich im Clubinneren aufwärmen kann. Oder wenn Türsteher Menschen, die es an anderen Türen eher schwer haben, eine Chance geben – wohlwissend, dass dann andere Gäste meckern und/oder wegbleiben, weil ihnen das Publikum zu »assi« ist.
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Christine Preiser, Soziologin, ist Doktorandin in der International Max Planck Research School on Retaliation, Mediation and Punishment am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg. Schwerpunktthemen ihrer Arbeit sind Nachtleben(ökonomie), Stadtforschung und qualitative Sozialforschung. In ihrer Doktorarbeit (»Bouncers and the (re-)establishment of order. An ethnographic study«) beschäftigt sie sich unter anderem damit wie Türsteher Recht, Regel und Raum im Clubkontext aushandeln. Sie ist Autorin des blogs www.urban-night-life.com (SN8 27.10.2015) und twittert regelmäßig über ihre Arbeit.
Mehr Informationen:
www.remep.mpg.de/4765/researchers
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